Dienstag, 17. Mai 2016

Anmerkungen zu Waldgrabstätten und Beerdigungskulturen

Die Einhaltung religiöser Rechtsregeln manifestiert sich am deutlichsten bei den hochentwickelten Umgangsformen des Menschen mit dem Tod und damit mit der Beerdigungskultur. Wiederum herausragend im Vergleich zu den anderen, großen Weltreligionen Buddhismus, Islam, Judentum, der nordischen Edda-Religion und den indianischen Naturreligionen erweist sich in diesem Zusammenhang das Christentum, daß sich als bedeutsamstem Ereignis auf eine Hinrichtung, nämlich die Exekution Christi am höchsten Feiertag, dem Karfreitag, bezieht; einem zentralen Schlüsselereignis, welches im übertragenen Sinne an die regelmäßig wiederkehrenden Weltneuerschaffungen "aus den Knochensplittern der vergangenen Riesen-Geschlechter" der Edda-Kultur erinnert.

Durch diesen eindeutigen Positionsbezug zur Einhaltung des Regelwerkes der 10 Gebote und damit insbesondere dem 1. Gebot "Du sollst nicht töten" begründet die christliche Lehre gleichzeitig eine anschauliche Spiegelung des menschlichen Erfindungsreichtumes bei der Umgehung ebendieser höchsten Regel und dem gleichzeitigen intellektuellen Versuch, trotzdem nicht mit dem Regelwerk in Konflikt zu geraten. Ein intellektuelles Meisterwerk der Christen welches Angehörige anderer Weltanschauungen, die weniger Respekt vor dem Leben des Individuums an sich aufzuwenden haben, nicht notwendigerweise erbringen müssen.

Grundsätzlich sind alle Menschen aller Kulturen und Weltregionen gleich und unterscheiden sich nur im Hinblick auf ihre sexuelle Zuordnung, also Mann oder Frau bzw. Übergangsformen. Prinzipiell schützen Menschen ohne Vorteilsabwägung automatisch und sofort das Leben anderer Menschen in Bedrohungslagen. Unterschiedliche Einstellungen zum Wert eines individuellen Lebens an sich ergeben sich höchstens aus Lebensnotlagen - also Hunger -, einer Ausnahmesituation die in allen Weltregionen nach Naturkatastrophen, Kriegen, Mißernten, etc. gleichmäßig auftreten kann. In andauernd kargen Armutsregionen, wie z.B. dem Taunus zur Zeit der Kreuzzüge und des 30-jährigen Krieges, können sich so systematische zwischenmenschliche Hungerattacken auf "Andere" entwickelt haben, die bis in die Neuzeit die Grundeinstellung zum 1. Gebot prägen und relativieren. Etwa in dieselbe Zeit datiert die Bildung von Kirchengemeinden und die systematische Anlage von Friedhöfen, die den Zweck hatte, die Kontrolle einer Gemeinschaft über Todesfälle - und damit die Einhaltung des "Du sollst nicht töten"-Regelwerkes zu ihrem Selbstschutz gegenüber Akteueren der Selbstjustiz, die das Lebensrecht anderer mißachteten, herzustellen.

Friedhöfe wurden zumeist auf dem Kirchhof einer christlichen Gemeinde, also im Ortsinneren angelegt und gepflegt; im Unterschied zu den verwandten jüdischen Grabstätten, die meist außerhalb von Ortsgrenzen angelegt und sich selbst überlassen wurden, also langsam überwucherten und verfielen. Damit setzte das Christen- und Judentum einen Kontrapunkt zu den Naturreligionen früherer Völker der Region, die ihre Toten in indianischer Weise fern von jeglicher Siedlung im Wald der Natur überließen, insofern sie keinen Kannibalismus praktizierten.

Ausnahmen bzw. Vermischungen mit Naturvolkreligionen entstanden im Zusammenhang mit Gerichtsstätten und Prozessen der Christengemeinden, die zwar das Tötungsverbot kannten aber auch Exekutionsstätten bauten und zwar meist weitab außerhalb der Ortschaften, an Stellen, an welchen nur noch die Kirchturmspitze der Gemeinde sichtbar blieb. An solchen Orten, meist Galgenberg genannt, standen Gerichtseichen, Galgen oder Verbrennungseinrichtungen für Hexenprozesse, Ehebruchsabhandlungen oder Mord- und Totschlag-Verfahren. In solchen Rahmen Prozessierte wurden dann auch fast immer außerortens beerdigt, was das Anwachsen von Waldgrabstätten in der Umgebung der Hinrichtungsstätten im Laufe der Jahrhunderte zur Folge hatte.

Nun hat sich im Laufe der langjährigen Untersuchungen des historischen Hinrichtungsstätten-Ballungs-Phänomenes im Taunus und der westlichen Wetterau die Interpretationsweise etabliert, daß Gerichtseichen, Galgenberge und Hexen-Exekutionsorte deshalb weit außerorts angesiedelt waren, weil so die direkte Teilnahme der über das Individualverhalten Einzelner in Rage geratenen Dorfgemeinde am Verfahren und der Urteilsvollstreckung selbst weniger wahrscheinlich war und somit die Möglichkeit bestand, die Hexe oder den Ehebrecher ungesehen im Wald "auf den Jacobsweg" entkommen zu lassen und der Rachegemeinschaft anschließend vorzuspielen, der oder die Böse sei verbrannt bzw. im Wald vergraben worden. Ähnliches wäre in ummauerten, später stacheldrahtbewehrten, geschlossenen Justizeinrichtungen, wo unter der Vorstellung, ungesehen Handeln und vollstrecken zu können die wohl grausamsten zwischenmenschlichen Exzesse historisch ihre Blüten trieben, nicht so leicht möglich gewesen, denn die interne Dynamik zwischen Vollstreckern in Kerkern, Karzern, Türmen, Verließen und Konzentrationslagern ist eine andere als im Wald und der freien Natur.  

Die hoffnungsvollere Interpretation der außerörtlichen Gerichtsstätten in Kombination mit den zahlreichen Jacobswegen der Region als Veranstaltungsplätze wenig harmvoller, historischer Justiztheater erklärt aber kaum die Zusammenballung von Waldgrabstätten, wie wir sie als Hügelgräber in manchen Abschnitten des Taunus einzeln oder bisweilen stark gehäuft finden können. So scheinen manche der Hügelgräberfelder in direktem Zusammenhang mit Galgenbergen zu stehen, andere wohl aber eher von militärischen Ereignissen vergangener Epochen herrühren. Wieder andere, einzelne mögen tatsächlich von historischen indianischen Beerdigungen von Führungspersönlichkeiten zusammen mit deren Wertgegenständen mitten im Wald herrühren - wenn es solche Ereignisse tatsächlich gegeben hat.

Zur Aufklärung dieser Frage wäre wohl die Detailuntersuchung jeder einzelnen Waldgrabstätte notwendig.

Weilmünster als größte, auf der TK 5516 verzeichnete Gemeinde, bietet ein interessantes Spektrum historischer und kontemporärer Sepulkralkulturstätten und eignet sich so besonders als Studien- und Anschauungsobjekt für die Entwicklung der regionalen Beerdigungskultur.

Älteste innerörtliche Beerdigungsanlagen sind und waren der Kirchhof der evangelischen Kirche, der reguläre Friedhof im Laukelt und der alte jüdische Friedhof auf der Terassenanlage am Kirrberg südlich des ehemaligen Bahntunnels. Dazu kamen ab 1890 mit dem Bau des Sanatoriums der große Waldfriedhof des Krankenhauses mit eingebettetem neuen jüdischen Friedhof, beide Anlagen mehrfach umgestaltete und doppel- und überbelegt. Nach Kriegsende gesellte sich zu diesen beiden, neuen Friedhöfen der Kriegsgräberfriedhof des 2 WK.

Außerorts sind die nicht exakt datierten Hügelgräberfelder nahe Dietenhausen von Bedeutung. Hierzu zählen die Waldgräber am Heidenkopf und im Maar Richtung Brandoberndorf-Hasselborn. Vermutlich jüngeren Datums sind die Hügelgräber am Ende der ab 1933 vom RAD gebauten Lichtertalstraße, ein inzwischen fast verschwundenes Phänomen, welches nur auf Topographischen Karten nach 1966 verzeichnet ist. 

Produkt eines wohl vermutlich privaten Waldbeerdigungsversuches waren die im Winter 2005/2006 auf der Rückseite des Wasserwerkes Möttau / Kindersanatorium mit einem Radbagger ausgehobenen 4 Einzelgräber, die kurz nach ihrer Entstehung ohne Inhalt wieder verschlossen wurden.

Neuester Höhepunkt bildet die Einweihung des Neuen Weilmünsterer Waldfriedhofes am Stollberg nahe des Sonnen- und Habacher-Hofes an der Landstraße nach Aulenhausen. Der "Waldfried" bietet nach Friedhofssatzung vom 16. September 2013 die unkomplizierte Urnenbestattung an Einzel- oder Gemeinschaftsbäumen und hat eine ausgedehnte, projektierte Erweiterungsfläche, wobei Ortsferne und Bestattungsanonymität das Konzept der traditionellen Überwachung von Todesfällen durch die Dorfgemeinschaft untergraben.

Weitere, auf der TK 5516 verzeichnete außerörtliche Beerdigungsstätten sind die Hügelgräberfelder im Wald zwischen Phillipstein und Hirschhausen sowie der jüdische Friedhof von Laubuseschbach zwischen Flachsberg und Hühnerküppel.




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Im Folgenden wird die Lage der einzelnen Hügelgräberfelder auf Übersichts-Luftbildkarten auf Grundlage von Google-Earth Luftbildern dargestellt (rote Punkte) und anschließend auf dem jeweiligen Ausschnitt der Topographischen Karte (TK) 1 : 25.000 (Meßtischblatt) detailliert aufgeführt. Räumlich-geographische Bezugspunkte, bedeutungsvolle Flurnamen und historische Ereignisse werden in Zusammenhang gestellt und notiert. 

Detailuntersuchungen jedes Hügelgrabes wären in einem erweiterten Rahmen durchzuführen.    



UNTERSUCHUNGSGEBIET :


Auf dem Übersichtsplan der Topographischen Karten (Meßtischblätter 1 : 25000) Hessens (Teilausschnitt Region Rhein/Main - Taunus - Westerwald) gelb markiertes Studiengebiet mit TK Blatt-Nummer und TK Hauptortsname. Die für die nachfolgenden Detailausschnitte verwendeten Karten sind zumeist älteren Datums als auf dem Plan als letztes Aktualisierungsjahr der jeweiligen TK angegeben. 
  

   



         

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